Navigation überspringen

Mitgliedsbetrag der IHK Reutlingen für 2016 begegnet ernstlichen Zweifeln

Datum: 14.03.2017

Kurzbeschreibung: (Beschluss vom 06.03.2017 - 1 K 2592/16) Auf Antrag eines Mitglieds, das der IHK Reutlingen eine unzulässige Vermögensbildung durch überhöhte Beiträge vorwarf, hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Beitragsfestsetzung für das Jahr 2016 angeordnet. Die Folge ist, dass der angegriffene Mitgliedsbeitrag vorläufig nicht gezahlt werden muss.


Zur Begründung führt das Gericht aus, der im Beitragsbescheid für das Jahr 2016 vorläufig festgesetzte Beitrag stehe nicht mit § 3 Abs. 2 IHKG in Einklang. Gemessen an den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urteil vom 02.11.2016 – 6 S 1261/14 ) zu § 3 Abs. 2 IHKG gebildeten Maßstäben erweise sich die Rücklagenbildung der IHK Reutlingen im Wirtschaftsplan für das Jahr 2016 als rechtswidrig. Die Vollversammlung habe 2013 ein Finanzstatut beschlossen, nach dem eine Ausgleichsrücklage zu bilden sei, die dem Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen diene und 25 - 50 v.H. der Summe der geplanten Aufwendungen betrage. Die Liquiditätsrücklage sei bis spätestens zum 31.12.2018 zu verwenden. Nach dem Wirtschaftsplan der IHK für das Jahr 2016 betrage die für 2016 gebildete Ausgleichsrücklage 4.767.984,63 Euro und damit 32,19 v.H. des Betriebsaufwandes (14.810.900,00 Euro). Die Liquiditätsrücklage von 3.138.370,19 Euro mache 21,19 v.H. des Betriebsaufwandes aus. Insgesamt habe die IHK Liquiditäts- und Ausgleichsrücklagen in Höhe von 7.906.354.82 Euro, d.h. in Höhe von 53,38 v.H. des Betriebsaufwands gebildet. Weder hinsichtlich der Liquiditäts- noch der Ausgleichsrücklage sei nach Aktenlage jedoch ersichtlich, dass die IHK bei der Aufstellung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2016 eine den Anforderungen der (seit Ende 2015 geltenden) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 09.12 2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315-321) entsprechende Risikoprognose durchgeführt habe. Sowohl Liquiditäts- als auch die Ausgleichsrücklage würden aus den Vorjahren unverändert beibehalten. Die IHKs hätten indes jährlich neu die Entscheidung zu treffen, in welcher Höhe der geplanten Ausgaben es im jeweiligen Haushaltsjahr bei ungünstigem Zahlungseingang zu zeitweisen Liquiditätsengpässen kommen könne. Hinsichtlich der (neuen) Ausgleichsrücklage, welche dem Ausgleich aller ergebniswirksamer Schwankungen diene, hätten sie ebenfalls zu prüfen, inwieweit diese in Höhe des Betriebsaufwandes für das neue Haushaltsjahr (noch) gerechtfertigt sei, da andernfalls dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Schätzgenauigkeit nicht Rechnung getragen werde. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Ausgleichsrücklage als neue Pflichtrücklage nunmehr der umfassenden Absicherung aller Ertrags- und Aufwandsrisiken diene. Sie trete damit jedenfalls teilweise an die Stelle der Liquiditätsrücklage, nämlich soweit diese dazu dienen solle, Schwankungen des Aufkommens aus eigenerwirtschafteten Einnahmen (Entgelte und Gebühren) abzusichern. (Neue) Ausgleichs- und Liquiditätsrücklage seien daher insoweit nicht unabhängig voneinander im Rahmen einer Prognose über die Risiken zu betrachten. Hinzukomme, dass die IHK gezwungen sei, ihre bestehenden Liquiditätsrücklagen ab dem Wirtschaftsjahr 2015 bis spätestens Ende 2018 aufzulösen. Die Liquiditätsrücklage sei damit überhöht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei eine Liquiditätsrücklage baldmöglichst auf ein zulässiges Maß zurückzuführen bzw. grundsätzlich stufenweise abzubauen und nur insoweit aufrechtzuhalten, wie im Rahmen der jährlichen Prognose ein nachvollziehbarer Verwendungszweck einhergehe. Da die Liquiditätsrücklage unverändert für das Jahr 2015 und 2016 beibehalten werde, spreche auch insoweit Überwiegendes dafür, dass die IHK keine hinreichende Risikoprognose durchgeführt habe. Sie habe insbesondere die Liquiditätsrücklage auch nicht teilweise - unter Beachtung der erforderlichen Risikoprognose - anderen Zwecken zugeführt. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass die Liquiditätsrücklage bei rechtmäßig erfolgter Risikoprognose bereits für das Jahr 2016 teilweise zur Senkung der Mitgliedsbeiträge hätte verwendet werden können. Sei danach von einer fehlenden bzw. (zumindest hinsichtlich der Liquiditätsrücklage) nicht ausreichenden Risikoprognose - auszugehen, dürfte die IHK den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Schätzgenauigkeit verkannt haben. (Bi.)


 


Diese Website verwendet Cookies. Weitere Informationen erhalten Sie unter Datenschutz.