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Reutlingen: IHK-Grundbeitrag für 2016 nicht gesetzeskonform - Ausgleichsrücklage der IHK im Wirtschaftsplan 2016 rechtswidrig

Datum: 07.08.2019

Kurzbeschreibung: 

(Urteil vom 20.05.2019 - 1 K 1145/18 -) Der IHK-Grundbeitrag für das Jahr 2016 verstößt gegen das Industrie- und Handelskammergesetz, weil die darin enthaltene Ausgleichrücklage rechtswidrig ist. Dies hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen kürzlich festgestellt. Mit dem nun vorliegenden schriftlichen Urteil hat die Klage einer Steuerberatungsgesellschaft gegen den Beitragsbescheid der IHK Reutlingen Erfolg. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids wurde vom Gericht aufgehoben.

Die Klägerin ist Kammermitglied der beklagten IHK und unterliegt der Beitragspflicht. Die Höhe des Grundbeitrags wird in einer Wirtschaftssatzung durch die Vollversammlung festgelegt. Die Klägerin ist der Auffassung, das bei einer Eigenkapitalquote von über 70 % überhöhte Vermögen und hoher liquider Mittel müsse vorrangig zur Deckung der Aufwendungen der Kammer verwendet werden. Es sei u.a. bedenklich, den geplanten Neubau der IHK-Zentrale nicht aus Fremdmitteln zu finanzieren. Die Beklagte ist der Meinung, das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eingehalten zu haben. Es sei nicht in unzulässiger Weise Vermögen gebildet worden. Die gebildete Ausgleichsrücklage als Krisenvorsorge liege im Bereich des Beurteilungsspielraums nach dem Finanzstatut zwischen 25 % und 50 % der geplanten Aufwendungen. Der Vollversammlung habe eine Prognose der ermittelten Risiken vorgelegen.

Das Gericht gelangt zu der Auffassung, dass die Ausgleichsrücklage, gemessen an dem von der Beklagten zu beachtenden Grundsatz der Haushaltswahrheit und dem darin zum Ausdruck kommenden Gebot der Schätzgenauigkeit, der Höhe nach nicht in hinreichend nachvollziehbarer Weise begründet sei. Der mit der Bildung einer Ausgleichsrücklage verbundene Zweck, eine Mittelreserve zum Ausgleich von Einnahmeverzögerungen und Einnahmeausfällen vorzuhalten, sei grundsätzlich ein sachlich begründeter Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Rücklagen, mit denen ergebniswirksame Schwankungen ausgeglichen werden sollen, müssten aber auf einer ordnungsgemäßen, für jedes Wirtschaftsjahr zu treffenden Risikoprognose beruhen, bei der die Kammer den Grundsatz der Schätzgenauigkeit zu beachten habe. Die Höhe der Ausgleichsrücklage entspreche im vorliegenden Fall nicht dem Gebot der Schätzgenauigkeit, da die von der Beklagten der Rücklagenbildung zugrunde gelegte und der Vollversammlung vorgelegte Aufstellung über mögliche Risiken insgesamt keine hinreichend nachvollziehbare Risikoprognose darstelle, sondern auf „gegriffenen“ Annahmen beruhe mit dem Ziel, die bisher bestehende Ausgleichsrücklage beizubehalten, weil diese innerhalb des erwähnten Korridors von 25 bis 50 % lag. Die somit für das Haushaltsjahr 2016 beibehaltene Ausgleichsrücklage stelle sich dementsprechend nicht als zweckgebundene Rücklage dar, so dass der Betrag der von ihr bilanziell hinterlegten Aktiva nicht als zweckgebunden vorgehaltenes Vermögen, sondern vielmehr als allgemeine, nicht zweckbezogene Mittelreserve erscheine, die die Beklagte im Wirtschaftsjahr 2016 entweder hätte umwidmen oder aber verbrauchen müssen.

Da sowohl die konkreten Anforderungen an die Risikoprognose bei Bildung einer Ausgleichsrücklage wie auch die Auswirkungen einer rechtswidrigen Rücklagenbildung auf die Mittelbedarfsfeststellung in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht geklärt seien, hat das Gericht die Berufung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. (Mo)

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